Kräftige Erholung bisher, doch jetzt nimmt der Gegenwind zu
Die Corona-Pandemie hat in Deutschland und der Eurozone zu einem historischen Einbruch der Wirtschaftsleistung geführt. Der Tiefpunkt wurde allerdings schon im April durchschritten. Es folgte eine kräftige Aufholbewegung, die sich in einem sehr hohen Wachstum im laufenden Quartal niederschlägt. Der Gegenwind nimmt jetzt aber zu.
KfW Research erwartet für Deutschland 2020 weiterhin einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um rund 6 %, gefolgt von einem Wachstum von 5 % im nächsten Jahr. Das Vorkrisenniveau dürfte bis Ende 2021 wieder erreicht werden.
Im Euroraum insgesamt dürfte das Bruttoinlandsprodukt um rund 8 % schrumpfen. Für 2021 kann mit einem aufholenden Wachstum von etwa 6 % gerechnet werden.
Geld- und Fiskalpolitik mildern die Folgen der Krise. Eine zweite Infektionswelle bleibt das größte Risiko, obgleich neue Eindämmungsmaßnahmen wohl gezielter ausfallen würden als im Frühjahr.
Historischer Einbruch im zweiten Quartal
Das deutsche Bruttoinlandsprodukt ist im zweiten Quartal wie erwartet in historischem Ausmaß eingebrochen. Mit dem Rückgang um 9,7 % wurde der bisherige Negativrekord vom Höhepunkt der Finanzkrise im Winter 2009 mehr als verdoppelt. Besonders tief war der Einbruch auch, weil im Zuge der Corona-Krise neben den üblichen zyklischen Komponenten wie Ausrüstungsinvestitionen und Exporte auch der private Konsum deutlich eingebrochen ist. Die Eindämmung der ersten Infektionswelle im Frühjahr hat in Deutschland und vielen anderen Ländern eine bis dato unvorstellbare Stilllegung vieler Wirtschaftsaktivitäten erfordert. In den Wochen des harten Lockdowns vom 23. März bis zum 19. April dürfte die Wirtschaftsaktivität hier zu Lande um etwa 20% unter dem Vorkrisenniveau gelegen haben. Viele Geschäfte des Einzelhandels und einige Dienstleitungsbranchen waren direkt von staatlich angeordneten Geschäftsschließungen betroffen. Das Verarbeitende Gewerbe stand teilweise still, weil Lieferketten durch die noch strengeren Lockdowns bei wichtigen Handelspartnern unterbrochen wurden. Die Industrieproduktion lag im April um 25 % unter dem Niveau vom Februar, während die Einzelhandelsumsätze mit einem Einbruch um rund 9 % noch überraschend stabil blieben.
Die Erholung hat kräftig begonnen…
Fast so rasant wie der Einbruch war aber auch die anfängliche Erholung, die ab Mai nach der erfolgreichen Eindämmung der ersten Infektionswelle einsetzte. Durch die schrittweise Aufhebung der Eindämmungsmaßnahmen im In- und Ausland konnte in vielen Bereichen die Geschäftstätigkeit wieder hochgefahren werden. Die Industrieproduktion ist bis Juni um insgesamt 17 % angestiegen, liegt aber damit noch rund 12 % unter dem Vorkrisenniveau. Noch deutlicher war der Fortschritt bei den Einzelhandelsumsätzen, die schon im Mai wieder das Vorkrisenniveau erreicht hatten, bevor es im Juni zu einem leichten Dämpfer vor der Mehrwertsteuersenkung kam. Laut den Stimmungsindikatoren, wie dem ifo Geschäftsklima, dürfte sich die Aufholbewegung auch zu Beginn des laufenden Quartals noch mit einem hohen Tempo fortgesetzt haben. Wobei die aktuellen Lagebeurteilungen der befragten Unternehmen noch weit unter dem Vorkrisenniveau liegen. Aber schon allein durch die Aufholbewegung bis Juni sind die Chancen hoch, dass im Sommerquartal auf den Rekordeinbruch ein Rekordwachstum folgt. Dies ist auch den politischen Stabilisierungsmaßnahmen zu verdanken, die bisher einen weit gehenden Erhalt von Unternehmen und Arbeitsplätzen ermöglicht und damit eine Vertiefung der Krise verhindert haben. Das im Juni beschlossene Konjunktur- und Zukunftspaket verursacht außerdem mit der temporären Mehrwertsteuersenkung einen kurzfristigen Nachfrageschub im zweiten Halbjahr, wirkt aber sonst eher mittelfristig.
… doch der Gegenwind nimmt erstmal zu
Das anfänglich hohe Tempo der Erholung dürfte sich aber schon aktuell wieder deutlich verlangsamen. Nach der relativ mechanischen Erholung durch die Aufhebung vieler Eindämmungsmaßnahmen wird der verbleibende Abstand zur normalen Wirtschaftsaktivität immer schwieriger zu überwinden. Insbesondere für die exportorientierte Industrie ist aktuell mit einem zunehmenden nachfrageseitigen Gegenwind zu rechnen. Bei rapide steigenden globalen Infektionszahlen bleibt die Unsicherheit enorm hoch. Zusätzlich wird die Investitionstätigkeit von Unternehmen im In- und Ausland durch die wegen der Krise erhöhte Verschuldung gebremst. Daneben dürfte die Arbeitslosigkeit in Europa zunächst weiter steigen, was Zweitrundeneffekte auf den Konsum und insbesondere auf den Absatz von langlebigen Gütern, wie Autos haben dürfte. Ein Abflachen des Lkw-Maut-Index ab Juli ist ein erstes Anzeichen für die nachlassende Aufholgeschwindigkeit in der Industrie. Angesichts wieder steigender Fallzahlen in Deutschland, muss aber auch in bestimmten Dienstleistungsbereichen, wie der Gastronomie oder der Veranstaltungsbranche, eher mit einer Verschärfung als mit einer Lockerung der bestehenden Einschränkungen gerechnet werden.