Claus Kleber erklärt die Krisen der Welt und verbreitet Hoffnung beim Volksbank Dialog
von Janne Hernandez Aragon
Der langanhaltende Applaus täuschte fast darüber hinweg, dass es den 700 Zuhörern in der Stadthalle Schmallenberg mulmig wurde bei dem, was Claus Kleber ihnen über die Welt zu sagen hatte: Russland ist nicht zukunftsfähig, der Einfluss Europas schwindet und China ist auf dem Vormarsch. Der Gebürtige Bensberger, der in jungen Jahren mit einer Jugendgruppe mehrfach zum Segeln an die Biggetalsperre kam, riss das Publikum in seinen charismatischen Bann.
Bis auf den letzten Platz besetzt war am Donnerstagabend (17.11.) die Stadthalle Schmallenberg. Die Volksbank Sauerland hatte erstmalig nach der erfolgreichen Fusion im September zum Volksbank Dialog geladen. Die Verantwortlichen hatten Kleber als Redner gewonnen und eine so große Nachfrage erzeugt, dass am Vortag das Arnsberger Sauerlandtheater ebenfalls bis auf den letzten Platz gefüllt war. Alle waren gespannt auf die Weltsicht des bekannten Journalisten, ehemaligen Chefs und ersten Moderators des heute journals im ZDF, der 17 Jahre lang aus Washington berichtete und für seine Dokumentationen die ganze Welt bereiste. Der Medienprofi weiß also, wovon er spricht, wenn er sagt "Momentan geschieht Grundlegendes, das alles verschiebt" und "der Reim, den wir uns bisher auf die Welt gemacht haben, stimmt so nicht mehr". “Aber“, so fuhr er fort, „heute spreche ich als Privatperson Claus Kleber und sage das, was ich als Journalist nicht hätte sagen können.“
Am 25. Februar, am Tag nach dem Überfall der Russen in der Ukraine, sagte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock: "Wir sind heute in einer anderen Welt aufgewacht. Haben wir also zuvor geschlafen?“ Das mag das Gefühl vieler getroffen haben. Aber trifft es auch zu? „Ja“, sagte der renommierte Journalist und Politikexperte Claus Kleber, „er ist ein Wendepunkt, der die Zeit in eine Zeit davor und eine Zeit danach teilt. Umstürzendes ist passiert.“ Der brutale und völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine sei nicht nur eine große humanitäre Katastrophe, sondern markiere einen radikalen Bruch mit der europäischen Friedensordnung nach dem Ende des Kalten Krieges, wie wir sie im Westen lange als selbstverständlich vorausgesetzt hatten. Die Zeit nach dem Ende des 2. Weltkrieges sei der friedlichste Abschnitt in der Menschheitsgeschichte, konstatierte Kleber, „es waren goldene Jahre einer unipolaren Welt, die heute zu Ende geht.“ Für Wladimir Putin aber war der Zerfall der Sowjetunion im Jahr 1991, nach eigener Auskunft, die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts. „Diese Philosophie ist, retrospektiv betrachtet, die Keimzelle für das, was heute passiert“, sagte Kleber.
Wie konnte es so weit kommen? Gab es frühere Anzeichen für diesen Angriffskrieg und hätte dieser gar verhindert werden können? „Ich bin kein bewährter Prophet“, sagte Kleber, „eher ein milder Richter.“ Spätestens mit der nebulösen Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 hätten die EU-Staaten und die NATO aufwachen und reagieren müssen, stattdessen folgten die laschesten Sanktionen in der Geschichte der Europäischen Union. „Frieden bekommt man nicht geschenkt“, attestierte Kleber.
Zweifelsohne war dies für Putin ein Ermutigungssignal, die Ukraine mit unwahren Vorwänden anzugreifen mit dem perfiden Plan, auch sie gewaltsam Russland einzuverleiben. Womit er allerdings nicht gerechnet hatte, so Kleber, war: „Ein mutiger und unbeugsamer ukrainischer Präsident Wolodymyr Selenskyj trat nicht die Flucht an, sondern konnte die ukrainische Bevölkerung zur Verteidigung des Landes mobilisieren.“ Der Krieg hat zudem eine völlig neue Entschlossenheit und Einigkeit der westlichen Demokratien und ihrer Alliierten gegen den Aggressor sowie eine massive Aufrüstung und Unterstützung der Ukraine auf den Weg gebracht. Wie weit diese Unterstützung im Rahmen des NATO-Vertrages gehen kann, ohne zur Kriegspartei zu werden, ist heute Gegenstand einer heftigen öffentlichen Debatte.
Was Kleber zurzeit aber am meisten Sorgen bereite und eine große Gefahr für den Frieden darstellt, ist die systematische Verunsicherung der Öffentlichkeit, der sich totalitäre Regime gerne bedienen sowie der Zerfall des demokratischen Modells, besonders in den USA. Claus Cleber versicherte den aufmerksamen Zuhörern, dass die heutige Fake-News Debatte unnötig sei. „Im öffentlich- rechtlichen gibt es keine Fake News!“ Drei Dutzenden Redakteure haben über den Tag die Weltnachrichten verfolgt und überlegt, wie sie die Themen des Tages verständlich und für den Zuschauer interessant aufbereiten können. „Ich durfte bestimmen, was im ZDF heute journal gesendet wird und kein Chef der Fernsehanstalt. Das kann ich Ihnen versichern!“
Vorstandsmitglied Andreas Ermecke fragte in seinen Begrüßungsworten danach, wie es weiter gehen wird und ob der Krieg noch weiter eskalieren wird und wie die zukünftigte Rolle Deutschlands aussehen wird. „Ich bin kein Hellseher, aber es wird weitergehen“, so Kleber am Ende seines 60 minütigen Vortrags. Wir sollten positiv in die Zukunft blicken. Womöglich kommen neue politische Kräfte an die Macht, vielleicht müsse auch Putin am Ende einsehen, dass er sich verkalkuliert und die NATO weiter gestärkt hat.